„Der Weg des Lebens
ist begrenzt,
die Erinnerung
jedoch unendlich.

Foto Stadtarchiv Karlsruhe

Johann Heinrich Jung, genannt Jung-Stilling

Schriftsteller, Nationalökonom, Augenarzt, * 12. September 1740 Grund/Kreis Siegen-Wittgenstein, † 2. April 1817 Karlsruhe, ev., ∞ 1. 1771 Christine Catharine Heyder († 1781), 3 Kinder; 2. 1782 Susanne Maria von St. George († 1790), 6 Kinder; 3. 1790 Elisabeth Coing, 4 Kinder.

Aus einer seit Generationen im Siegerland ansässigen pietistischen Familie stammend, erhielt Jung nach dem Besuch der Dorf- und Lateinschule mit 15 Jahren eine Lehrerstelle und arbeitete in der Schneiderei seines Vaters. 1762 wurde er bei einem Fabrikanten und Fernhandelskaufmann im Bergischen Land Kaufmannsgehilfe und Hauslehrer. Ab 1770 studierte der vielseitig begabte und an Sprachen, Religion und den Wissenschaften interessierte Jung von 1770-1772 Medizin in Straßburg und hörte finanz- und wirtschaftswissenschaftliche Vorlesungen. In Straßburg hatte er Kontakt zu Johann Wolfgang Goethe und Johann Gottfried Herder. Nach der Promotion ließ er sich 1772 in Elberfeld als Augenarzt nieder. Er erwarb sich rasch als Operateur des Grauen Stars einen deutschlandweiten Ruf.

Mehrere Aufsätze in Fachzeitschriften führten 1778 zur Ernennung als Professor für Ökonomie- und Kameralwissenschaften an der Hohen Kameral-Schule in Kaiserslautern. 1787 wechselte er als Professor für Ökonomie-, Finanz- und Kameralwissenschaften nach Marburg. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit veröffentlichte Jung - nach dem von Goethe ohne sein Wissen 1777 veröffentlichten ersten Band seiner Autobiographie mit dem Titel Henrich Stillings Jugend - mehrere Romane. Sie gelten als Vorläufer des Entwicklungs- und Bildungsromans. Ferner verfasste er religiös-moralische Schriften, die zur Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts beitrugen und die ihn bei den deutschen protestantischen Landesfürsten bekannt machten. Kurfürst Karl Friedrich von Baden berief ihn 1803 als persönlichen Berater nach Karlsruhe. Hier lebte er bis zu seinem Tod zuletzt in der Waldstraße 10, wo eine Gedenktafel an ihn erinnert. Wie schon in Kaiserslautern und Marburg, sammelte Jung auch in der Fächerstadt einen Kreis pietistisch gesinnter Christen um sich. Jung war Freimaurer und gehörte der Karlsruher Loge Carl zur Einigkeit an, die später in Leopold zur Treue umbenannt wurde. Er führte den Dichter Max von Schenkendorf in Karlsruhe in die Freimaurerei ein. 1806 verlieh ihm der Großherzog den Rang eines Geheimen Hofrats in Geistlichen Dingen, der sich fortan der Festigung und Verbreitung des christlichen Glaubens im Großherzogtum widmen sollte.

Bestattet wurde Jung auf dem Alten Friedhof in Karlsruhe, seit 1968 befindet sich das Grab auf dem Hauptfriedhof. 1964 wurde nach ihm die Jung-Stilling-Straße benannt.

Stadtlexikon: René Gilbert 2014

Grablage: Hauptfriedhof: Hauptweg 28